Können wir schneller günstige Wohnungen bauen?

Können wir schneller günstige Wohnungen bauen?


Jörg Ziolkowski im Gespräch mit Sandra Pfister vom Deutschlandfunk.

Bei der Veranstaltung „80 Sekunden – Neues Bauen“ am 11. und 12. Mai 2023 in Berlin diskutierte Jörg Ziolkowski gleich im Eröffnungspanel über neue Quartierskonzepte und ihren Beitrag zur besseren Wohnraumversorgung. Geht es nach dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, müsste alle 80 Sekunden eine neue Wohnung entstehen.

Sandra Pfister vom Deutschlandfunk sprach in Berlin mit Jörg Ziolkowski über seine Einschätzung, ob und wie wir schneller günstige Wohnungen bauen können.

Das bereits in der Reihe "Wirtschaft am Mittag" gesendete Interview ist als Audiomitschnitt auf der Website des Deutschlandfunks abrufbar.

 

Sandra Pfister, Deutschlandfunk: Vierhunderttausend Wohnungen wollte die Bundesregierung bauen lassen. Jedes Jahr. Aber das haut hinten und vorne nicht hin, weil dann ihren eigenen Berechnungen zufolge alle 80 Sekunden eine Wohnung fertig gestellt werden müsste. Das aber ist illusorisch, weil die Baukredite teurer geworden sind, die Baumaterialien auch und die Genehmigungen dauern ziemlich lange - alles aussichtslos? Die Bundesbauministerin Klara Geywitz hat für zwei Tage Bauunternehmer, Banken, Immobilienfirmen und Architekten nach Berlin gebeten, damit sie Lösungen finden. Was er für eine Lösung sehen würde, danach habe ich Jörg Ziolkowski gefragt. Er ist Architekt in Köln und auch beim Kongress, und dort hat er sich für das Gespräch eine halbwegs ruhige Ecke gesucht. Ich habe ihn gefragt: Was wäre für ihn die wichtigste Stellschraube, damit es schneller geht?

Jörg Ziolkowski, ASTOC Architects and Planners: Das Problem ist ja so ein bisschen, dass wir an den Prozessen nur bedingt am Steuer sitzen. Es ist meine Wahrnehmung, dass die Flaschenhälse eben eher auf der Genehmigungsseite liegen und zurzeit leider eben auch immer noch bei den Lieferketten der Bauprodukte und den Menschen, die sie einbauen sollen. Wir müssen die Abläufe in den Verwaltungen, also die Genehmigungsverfahren, effizienter gestalten. Und da ist halt leider das Thema Stichwort Digitalisierung, ja, ein sehr vordringliches, weil tatsächlich gerade in den Verwaltungen, glaube ich, noch sehr traditionell, wenn ich das mal so sagen darf, gearbeitet wird.

SP: Solange es da nicht schneller voran geht, denn dieses Desiderat hören wir ja jetzt wirklich auch schon sehr, sehr lange und da kann man sich schnell in so eine Hoffnungslosigkeit hineinreden. Sehen Sie was anderes, wo Sie selber mehr Gestaltungsspielraum haben als Architekten?

JZ: Was uns auch als Berufsstand der Architekten eben in den letzten Monaten wirklich nachhaltig umtreibt, das ist der Umgang mit dem Bestand, das heißt, da ist vieles, was durch Umnutzungen eigentlich einer Wohnnutzung zugeführt werden könnte, eben teilweise auch wirklich in den innerstädtischen Lagen, also einfach nur mal das Stichwort der brach fallenden Kaufhäuser, die war ja auch aus den Medien jetztgerade mitkriegen. Das führt natürlich dazu, dass man jetzt auch nicht zu Wohnformen kommt, die eins zu eins das sind, was wir den letzten 100 Jahren als Wohnen bezeichnet haben, sondern auch wirds wahrscheinlich Innovationen brauchen. Aber andererseits hat es natürlich das Potenzial für Innovation, wenn man solche Gebäude einer Wohnnutzung zuführen will.

SP: Also Gewerbeimmobilien in Richtung Wohnimmobilien drehen? Was auch oft fällt jetzt als Stichwort ist dieses so genannte serielle Bauen. Das wird auf der Tagung auch nochmal groß geschrieben, als Möglichkeit, Bauen günstiger zu machen. Was genau ist denn damit gemeint?

JZ: Im Grunde genommen blickt die Immobilienbranche immer ein bisschen neidisch auf den Automobilbau. Das heißt eben, dass man modularisiert baut und vor allen Dingen in großen Teilen vorfertigt.  Dadurch, dass eben in kontrollierten klimatischen Verhältnissen diese Bauteile vorgefertigt werden, hat man auch unter Energieeinsparungsgesichtspunkten natürlich Vorteile. Aus unserer Erfahrung bringt es leider keine Kostenvorteile. Das Vorfertigen hat natürlich auch einen gewissen Aufwand, braucht vor allen Dingen auch Investitionen auf Seiten der Bauindustrie. Andersrum muss man sagen, dass eben die Renaissance des Holzbaus dazu führt, dass das Thema Vorfertigen von dieser Seite sehr stark befeuert wird. Dann landet man beim seriellen Bauen.

SP: Also es ginge schneller, möglicherweise, aber es wird nicht unbedingt günstiger, wenn ich Sie richtig verstehe. Wie viel Potential hat das?

JZ: Das ist so unsere Wahrnehmung. Wenn wir Wohnquartiere planen, und da sprechen wir halt über Wohnquartiere mit über 160, oder bei 160 Wohnungen gehts los, und es geht bis zu 700 Wohnungen hoch. Aber der Ansatz natürlich, wenn man 700 Wohnungen plant, ist natürlich erst mal auch von unserer Seite, damit wir das effizient angehen, ein modularisierter. Im Ergebnis müssen wir aber sagen: Wir werden auch da wieder eher traditionell bauen. Das heißt also der modularisierte Gedanke, der bei uns in der Planung permanent drin ist, der geht uns dann im Planungsprozess zunehmend verloren und hängt dann vielleicht auch so ein bisschen mit den Bautraditionen, die wir halt hier in Deutschland haben zusammen und dem, was unsere Bauunternehmen sozusagen ihren Kunden anbieten können, das heißt also da ist das Thema Modularisierung, serielles Bauen, eben einfach noch nicht verortet. Wenn wir nach Holland oder wenn wir nach Skandinavien schauen, sehen wir, dass da die Industrien genau diese Tradition schon beherrschen und umsetzen und da auch diese Bauformen wirklich zu gutem Wohnen und Arbeitsverhältnissen führen, wenn da seriell gebaut wird.

SP: Wenn man das Motto ihrer Tagung ernst nimmt, dass alle 80 Sekunden eine neue Wohnung entstehen müsste und eigentlich wir lange darüber reden, wo die Hindernisse überall liegen. Es gibt da sehr, sehr große Brocken, die da aus dem Weg geräumt werden müssen. Wenn Sie mit ihren Kollegen, mit den Bauunternehmern, mit den Immobilienkonzern zusammen sind, woraus schöpfen Sie Hoffnung?

JZ: Jeder in der Immobilienbranche will bauen, damit verdienen wir unser Geld, und im Moment sind halt die Rahmenbedingungen nicht so günstig, wie sie vor drei oder vier Jahren waren. Wir können alle davon ausgehen, dass die Rahmenbedingungen sich wieder ändern werden, dass die Lieferkettenprobleme entfallen, dass das Thema mit der Zinssituation sich ändert. Ich glaube auch, dass unsere Auftraggeber ein bisschen lernen müssen, vielleicht ihre Renditeansätze, die sie in den dicken Jahren gefahren haben, wieder ein Stück zurück zu schrauben. Ob wir im Neubaubereich die vierhunderttausend Wohnungen erreichen werden, daran habe ich leider Zweifel, beziehungsweise ich habe keine Anzeichen dafür, dass wir das schaffen können.

SP: Jörg Ziolkowski, Architekt aus Köln. Danke Ihnen ganz herzlich.

 

Das Foto von Jörg Ziolkowksi wurde uns freundlicherweise bereitgestellt von "80 Sekunden - Neues Bauen". Es zeigt ihn am 11.05.2023 auf dem Podium der Veranstaltung in der Belgienhalle in Berlin.